Digitale Fernerkundung
5 Literatur
Version 2.1, 2017
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4.3 Anwendungsbeispiele

An dieser Stelle werden einige ausgewählte Beispiele einer sinnvollen Verknüpfung von digitalen Fernerkundungsdaten mit anderen Datentypen mittels Geoinformationssystemen (GIS) in den Geowissenschaften vorgestellt.

Küstenschutzmaßnahmen auf Rügen/Ostsee oben
Für den Küstenschutz sind oft Baumaßnahmen (Buhnen, Wellenbrecher, Deiche, etc.) von großer Bedeutung. Küstenabschnitte mit starker Hoch- oder Flutwassergefährdung werden so gegen die Einwirkungen der Naturgewalten geschützt. In diesem Zusammenhang sind besonders morphologische Eigenheiten des Küstenverlaufs für die Planung von naturnahen Küstenschutzbauten von Interesse, da man versucht, natürlich gewachsene Reliefelemente (z.B. Strandwälle, Moränenzüge, etc.) in das Gesamtkonzept miteinzubeziehen.

Der Verlauf der mecklenburgischen Ostseeküste repräsentiert eine klassische Ausgleichküstenform mit Boddenlandschaft, Nehrungen und quartärgeologisch geprägter Morphologie, die trotz nur geringer Gezeiteneinwirkung starken Meeresspiegelschwankungen im Sturmflutfall, insbesondere im Winter ausgesetzt ist. Um die stark gefährdeten Küstenabschnitte im Bereich Rügen zu schützen, betreibt das Staatliche Amt für Umwelt und Natur Rostock (StAUN) ein Küsten-Gis, in dem die wichtigsten Informationen über die Küste im Hinblick auf Schutzmaßnahmen abgelegt sind. U.a. sind dies quartärgeologische Aufnahmen von Rügen aus den 1930'er Jahren unter besonderer Berücksichtigung der morphodynamischen Elemente einer Landesaufnahme von Schütze (1931).

Das StAUN hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geoinformatik und dem Geologisch-Paläontologischen Institut der WWU-Münster die alten Kartierungen digitalisiert und ihre Elemente unter Zuhilfenahme aktueller, hochauflösender panchromatischer KVR-1000 Satellitendaten in das Küsten-GIS unter ArcGIS übertragen, wobei sehr schön die dynamischen Veränderungen im Raum Hiddensee, speziell 'Alter und Neuer Bessin' deutlich wurden.

Als Datengrundlage dienten:
- Kreisgrenzen der Insel Rügen (1 : 10.000) in Form eines Vektordatensatzes (1989)
- Analoge quartärgeologische Karten Rügen (1 : 10.000), später als Rasterdatensatz digitalisiert (1931)
- Panchromatische KVR-1000 Satellitendaten mit 3m/p Auflösung (1989)
- Topographische Grundkarten (1979)
- Wassertiefenlinienplan (1930)

Zuerst wurden alle Analogdatensätze digitalisiert, wobei anschließend eine Georeferenzierung der Rasterdaten auf das im den neuen Bundesländern verbreitete Krassovsky-System erfolgte (Abb. 4.3.1).

Abb. 4.3.1: Digitalisierte, rektifizierte historische Karte (Quartärgeologie) des Nordteils Hiddensees aus dem Jahre 1931 nach Schütze (StAUN, 1998)

 

Da sich der Bereich der Halbinsel Bessin sehr rasch in seiner Morphologie verändert, wurde eine hochauflösende panchromatische KVR-1000 Satellitenszene von 1989 für diesen Raum digital aufbereitet, um so die Veränderungen der letzten 60 Jahre auf der Basis von Fernerkundungsdaten erfassen zu können (Abb. 4.3.2).

Abb. 4.3.2: Rektifizierte KVR-1000 Aufnahme der Nordspitze Hiddensees von 1989 mit dem Nehrungshaken Bessin

In weiteren Schritten wurden nun beide Rasterdatensätze in das GIS ArcView importiert und dort mit den bereits vorhandenen Vektordaten der Gemeindegrenzen von Rügen verschnitten. Weiterhin wurden alle morphodynamischen Elemente auf der Basis der digitalen historischen Daten vektorisiert und mit den aktuellen Küstenformen verglichen. Es zeigte sich, daß gerade am Bessin und entlang der Boddenküste erhebliche Veränderungen des Küstenverlaufs eingetreten sind, die u.a. auf der Basis der FE-Daten rasch kartiert werden können.

Zusätzlich wurden alle wichtigen morphologischen Klassen als Einzelthemen in ArcView initialisiert und für die Datenverschneidung bzw. Aktualisierung vorbereitet (Abb. 4.3.3). Eine Planung von Küstenschutzmaßnahmen wird somit unter Zuhilfenahme von FE-Daten wesentlich erleichtert und kann gerade in Zuwachsgebieten von Ausgleichsküsten naturnäher konzipiert werden.

Abb. 4.3.3: Verschneidung der digitalisierten morpho-dynamischen Elemente (Quartär-geologie) des Nordteils Hiddensees aus dem Jahre 1931 mit den aktuellen FE-Daten bzw. Sach- und Vektordaten im Küsten-GIS (StAUN, 1998)

 

Altlastensanierung im städischen Bereich von Offenbach oben
Militärische Altlasten fallen nicht nur auf Truppenübungsplätzen an, sondern können auch im städtischen Bereich durch historische Kriegseinwirkungen (z.B. II. Weltkrieg) aktuelle Planungskonzepte beeinflussen. Auf Großbaustellen werden z.B. regelmäßig Fliegerbomben-Blindgänger gefunden, die risikoreich und kostspielig geborgen bzw. entsorgt werden müssen. Aus diesem Grunde hat man bereits kurz nach Kriegsende mit dem Aufbau eines 'Bombenkatasters' auf der Basis alliierter Luftbildbefliegungen begonnen, um so die Munitionsräumung in bewohnten Gebieten zielgerichtet durchführen zu können.

Weiterhin wird dieses Kataster für die Beurteilung evtl. vorliegender Risikoareale genutzt, denn die Verfüllung der Bombentrichter mit giftigen Substanzen und schädlicher Abfälle war in der Vergangenheit an der Tagesordnung (z.B. Ölfässer, Schmierstoffe, Munition, Chemikalien...). Heute werden diese alten Luftbilder digital aufbereitet, rektifiziert, in eine GIS eingebunden und innerhalb aktueller Planungsmaßnahmen berücksichtigt (Abb. 4.3.4).

Abb. 4.3.4: Digital aufbereitetes, rektifiziertes historisches Luftbild von Offenbach (aus Buhmann, Bachuber & Schaller, 1996)

Die Einbindung solcher FE-Daten in ein GIS und ihre Verschneidung mit digitalem Karten- oder Katastermaterial erlaubt nun die Beurteilung von Risikoflächen hinsichtlich zu erwartender Altlasten. In diesem Beispiel soll innerhalb eines bestimmten Areals eine Neubausiedlung entstehen. Es ist nun wichtig, die von der Umstrukturierung betroffenen aktuellen Standorte mit dem Bombenkataster zu vergleichen, um so Flächen herauszuarbeiten, welche relativ altlastenarm und damit kostengünstiger zu sanieren bzw. risikoärmer hinsichtlich giftiger Stoffe im Untergrund sind (Abb. 4.3.5)

Abb. 4.3.5: Verschneidung der digitalisierten Lufbildaufnahme mit dem Bombenkataster und dem aktuellen amtlichen Liegenschafts-kataster (modifiziert nach Buhmann, Bachuber & Schaller, 1996)

Für den zentralen Bereich westlich der FL.4 bestehen bereits konkrete Umbaupläne für ein Gewerbeareal mit angeschlossener Reihenhaussiedlung (Abb. 4.3.6). Innerhalb der als Baufläche ausgeschriebenen Grenzen (rosa) besteht jedoch eine weitgehende Planungsfreiheit hinsichtlich der Standorte von zukünftigen Bauten.

Abb. 4.3.6: Verschneidung des amtlichen Liegenschafts-katasters mit dem auf Luftbildbasis aktualisierten Bomben-katasters und der aktuellen Planungs-grundlage für das Sanierungs-gebiet (modifiziert nach Buhmann, Bachuber & Schaller, 1996)

Es zeigt sich, daß es innerhalb der Planungsfläche eine unterschiedliche Dichte von potentiellen Altlasten auftreten. Um die Kosten für deren Sanierung gering zu halten, werden die eigentlichen Bebauungspläne modifiziert und über syntaktische Abfragen im GIS unterstützt (z.B. Generierung von Belastungskarten etc.).

Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie wichtig die digitale Aufarbeitung auch historischer, analoger FE-Daten durch Bildverarbeitungssysteme für aktuelle raumplanerische bzw. infrastrukturelle Maßnahmen im städtischen Bereich sein können. Voraussetzung ist die digitale Rektifizierung und spätere Einbindung in ein GIS zur Datenverschneidung und Analyse hinsichtlich einer geowissenschaftlichen Fragestellung.

Landnutzung und Inventar innerhalb des Nationalparks El Kala (Algerien) oben
Im Rahmen eines Drittmittelprojektes, welches von der Weltbank für die Nationalparkverwaltung in Algerien genehmigt wurde, erfolgte 1998 am Institut für Geoinformatik eine Flächennutzungsanalyse des Nationalparks El Kala im NE Algeriens. In Zusammenarbeit mit dem Geologisch-Paläontologischen Institut der WWU wurde aus den Landsat-TM und Spot-Daten (letztere als Stereo-Befliegung!) ein Höhenmodell mit Falschfarbeninformation zur Beurteilung der Reliefenergie und der geologischen Gegebenheiten aus digitalen Fernerkundungsdaten abgeleitet. Ziel war u.a. die Erstellung einer Erosionskarte, mit der eine Neuordnung des Nationalparks in den nächsten Jahren durchgeführt werden kann (Abb. 4.3.7).

Abb. 4.3.7: FE-Datengrundlage zur Bearbeitung des Nationalpark-Projektes EL Kala in Algerien: Spot-P (stereoskopisch), Topo-Karten und Landsat TM-Daten, welche zur einer Klassifikation der Landnutzungtypen führt (modifiziert nach von der Weiden, 1998)

 

Vulkanische Aktivität des Cerro Bonete in den Hochanden (Argentinien) oben
Thermale Landsat TM-Daten finden in den Geowissenschaften aufgrund ihrer geringen geometrischen Auflösung nur untergeordnet Anwendung. Deshalb ist es um so bemerkenswerter, daß zur Beantwortung der Frage, ob eine vulkanisch-thermale Aktivität des Vulkans Cerro Bonete in der argentinischen Hochkordillere immer noch vorliegt, FE-Thermaldaten herangezogen wurden. Die Arbeiten erfolgten an dem Geologisch-Paläontologischen Institut der WWU und können hier nachvollzogen werden.

Abb. 4.3.8: Landsat TM-
Falschfarben-
komposite aus dem Bereich der argentinischen Hochkordillere rund um den ca. 5500 m hohen Vulkan Cerro Bonte (modifiziert nach Abels & Prinz, 1996)

 

Alterierte Gesteine und Lagerstättenexploration in der Atacama (Chile) oben
Eine klassische Anwendung von multispektralen Fernerkundungsdaten in der Geologie/Lagerstättenkunde ist die Exploration von Rohstoffen (hier: Bunt- und Edelmetalle) auf der Basis von Landsat TM-Daten. In einem von der DFG geförderten Projekt wurden zwischen 1988 und 1996 weite Teile der chilenischen Präkordillere auf vulkanisch bedingte hydrothermale Veränderungen (Alterationen) untersucht (Abb. 4.3.9), da diese typische Veränderung des Gesteins oberflächennah durch multispektrale Sensoren erfaßt und ausgewertet werden kann. Oft gehen derartige vulkanomagmatische Mineral-Alterationen mit Vererzungen (z.B. Gold, Kupfer, Silber..) einher, so daß die Lokalisierung der Alteration vielfach einer kostspieligen, gezielten Feldexploration vorangestellt wird. Diese Art der Lagerstättenexploration ist weit verbreitet und findet weltweit Anwendung:......

......recently, remote sensing technology represents useful information in mineral exploration. Since satellite images provide data in different regions of electromagnetic spectrum, they can be widely used in geological applications. The main goal of this paper is to demonstrate the superiority of the remote sensing technology in mineral exploration in Khoy-Oshnavieh area located in the north-west of Iran. Several kinds of remote sensing data were used to prepare different information layers which play important roles in mineral exploration. The most important layers are structures of the study area as well as alteration. The study mainly focuses on techniques used to process different remote sensing data to extract the information layers. These data were ETM+, ASTER and RADARDAT. Different kinds of alteration such as clay and iron-oxide can be extracted using ETM+ and ASTER which are multi-spectral images. After preprocessing step including the radiometric and geometric correction, several processing tools such as Crosta, selective principal component analysis and band ratio techniques were applied to introduce the areas with the most probability of alteration. Because of spectral overlaps between altered areas and some other objects in the image, different masks were applied to refine the alteration layer. These masks were produced using different methods such as image classification. The remained noise in the alteration layer was eliminated using visual interpretation. Moreover, different types of structures such as rings and lineaments may help us to find the areas with the probability of mineralization. Hence, in order to extract the large-scale structures of the study region, the RADARSAT image in standard mode was used on which different highpass filters were applied. The final structure layer was prepared using visual interpretation. The alteration and structure information with the other information layers such as geology maps, geophysics and geochemistry data were then used to produce the primary exploration model in GIS. Two different models included fuzzy logic and weight of evidence, were tested to find the promised areas. The best results were achieved by giving higher weights to the remote sensing layers. The quality of the results was evaluated by checking the field. They showed the high reliability of the remote sensing data in mineral exploration......(Gingerich et al., 2004).

Abb. 4.3.9: Landsat TM-IR-
Farben-
darstellung (432; rgb) der Region um Potrerillos in den nord-
chilenischen Hochanden (modifiziert Prinz & Bischoff, 1995)

Das 'Impaktkrater-GIS' oben
Eine terrestrische Meteoriten-Impaktstruktur stelllt ein nahezu geoloisch geschlossenes System da und läßt sich deshalb besonders gut in einem GIS darstellen. Die Verbindung zwischen geophysikalischen, mineralogischen, geologischen und topographischen Landschaftelementne bzw. Befunden erlaubt dem Auswerter eine Impaktstruktur über das makroskopisch sichbare hinaus synoptisch zu interpretieren. Viele der involvierten Datensätze entstammen der interdisziplinären Fernerkundungsmethodik (multispektrale lithologische Oberflächen-Analysen, Schwereanomalien, Magnetik, SAR-Morphologie ect.), sind somit also als Rasterdatensätze bestens geeignet in einem GIS visualisiert zu werden. Kraterspezifische strukturelle Anomalien (central uplift, ring dykes, Impakt Breccien u.a.) zeichnen sich in den jeweils für sie typischen Messbereichen ab. Eine enge Korrespondenz gerade zwischen oberflächennahen und tiefer liegenden Strukturen wird erst im GIS sichtbar. Dazu kommen geocodierte, lokale Einzelbeobachtungen (z.B. Geländephotos, Laborbefunde), welche in einem GIS zusammengeführt bei Bedarf vertiefende Informationen liefern (vgl. Abb. 4.3.9b). So kann zb. die wichtige Frage '...welche Dimensionen besitzt die Struktur?' häufig nur in der Synopsis aller Daten im GIS beantwortet werden.

 

Abb. 4.3.9b: Virtuelles 'Krater-GIS', raterbasiert (nach Zumsprekel und Prinz, 2001)

 

Geobasisdaten und GIS in der Archäologie oben
Für die Analyse einer Landschaft im historischen Kontex spielen Geobasisdaten eine grundlegende Rolle. Die Rekonstruktion und historische Untersuchung antiker Kulturlandschaften erweist sich gerade im vorderen Orient angesichts rasanter Zivilisationsprozesse und der damit einhergehenden Zerstörung traditioneller Strukturen als zunehmend schwierig. Oftmals fehlen genaue geographische Informationen, welche den momentanen ‘Ist-Zustand’ einer Region dokumentieren und gerade aus Sicht der klassischen Archäologie lokale Befunde in einen großräumigen Zusammenhang bringen. Durch die Verknüpfung klassisch archäologischer Methoden mit denen der modernen Fernerkundung sollten in einem ersten Schritt die Generierung von Geobasisdaten aus unterschiedlichen digitalen Satellitendaten vorangetrieben werden. Mit ihrer Hilfe können sich Fragen und Probleme des Landschaftswandels wie Verortung, Bestimmung und Dokumentation kulturhistorisch bedeutsamer
Stätten effizient in Informationssystemen lösen lassen.

Abb. 4.3.9c: Quickbird IR- und Panchromatische Aufnahme Pistazienplantagen Raum Doliche/SE-Türkei

Da für den Untersuchungsraum keine aktuellen geographischen Daten vorlagen wurde 2003 eine multispektrale IR-Aufnahme (2m Bodenauflösung) und eine panchromatische Aufnahme (0,7m Bodenauflösung) des neuen Quickbird-Satelliten für Doliche und seiner Umgebung akquiriert. Zusätzlich fließen FE-Daten des ASTER, ERTS (Altimetrie), Landsat TM-5 (Multispektralscanner) und des historischen CORONA-Systems (Spionage) in das GIS
ein. Da die Quickbird Aufnahmen
sowohl geometrisch als auch thematisch vielfältig auswertbar sind, lassen sich aktuelle topographische und thematische Karten erzeugen. Weitere Produkte sind DGM (digitales Gelände- Modelle), welche die Nutzung der Region in Abhängigkeit der Morphologie zeigen. Der Maßstab dieser neuen Karten liegt bei 1:5.000 (Abb. 4.3.9c bzw. d; türkisches Kartenwerk nur 1:200.000).

Abb. 4.3.9d: Geobasisdaten im GIS (1:5.000)

Ein digitaler Vergleich alter Karten mit aktuellen Satellitendaten, Geländebefunden sowie der momentanen Landschaftssituation im GIS erbringt häufig entscheidende Hinweise für die Rekonstruktion verlorengegangener topographischer Elemente. In Ermangelung jeglicher amtlicher Basisdaten kommt der erfolgreichen Auswertung
von Fernerkundungsdaten besondere Bedeutung zu, da erstmalig Grabungsergebnisse in einen kartographischen Kontex gestellt werden können. Neben der aktuellen Oberflächenbedeckung sind auch Höheninformationen von Bedeutung: So zeigt die Analyse im GIS, daß antike Kultstätten im Fall Doliche räumlich vom profanen Siedlungsraum über Jahrhunderte hinweg getrennt lagen. Das zentrale Heiligtum mit der dazugehörigen Priesternekropole befindet sich in exponierter Höhenlage ca. 3 km SW' vom antiken Stadtgebiet entfernt. Die Anlage eine 'Prozessionsstrasse' ist deshalb wahrscheinlich und kann aufgrund von Neigungsparametern im GIS für die spätere Geländeuntersuchung prognostiziert werden (Abb.4.3.9e).

3d prozessAbb. 4.3.9e: Mögliche Sektoren für eine Prozessionsstrasse zum Heiligtum (minimale Entfernung vs. moderate Steigung)

Nahbereichsphotogrammterie und GIS in der Archäologie oben
Für die 1998 in Doliche (Dülük) begonnenen archäologischen Grabungen am antiken Tempelstandort Dülük Baba Tepesi durch die Forschungsstelle Asia Minor (WWU) wurde 2006 ein flexibles Nahbereichsfernerkundungssystem entwickelt, welches unter den gegebenen lokalen Bedingungen digitale Photodaten für das Informationssystem (GIS) der Grabung bereitstellt. Ziel ist eine Ortung und Lagedokumentation in Kompatibilität zu den klassisch im CAD-System verwalteten Funddaten in einem GIS. Die neue FE-Plattform muß deshalb eine hohe variable geometrische Auflösung (cm Bereich), eine möglichst einfache Handhabung, geringe Investitionskosten sowie ein breites Anwendungsspektrum aufweisen. Konzipiert und umgesetzt wurde eine ballongetragene Fernerkundungsplattform (Helium), welche aus einer kardanisch aufgehängten KB-Digitalkamera (Olympus C-4040 Zoom) und einem kombinierten Video-/IR-Steuerauslösesystem mit 50m Steigleine besteht (Abb. 4.3.10a). Für diese ‘handgefahrene’ Kamera existieren zudem in der Literatur Kalibrierungsprotokolle, welche für die spätere Berechnung der Geo-Orthophotos notwendig sind.

ballon

Abb. 4.3.10a: Heliumballon mit digitaler Fernerkundungseinheit als klassischen Ansatz

Für das Grabungsfeld am Dülük Baba Tepesi wurden alle Funddaten bisher in einem CAD-System verwaltet. Dieses in der Archäologie sehr typische CAD-Dokumentationsverfahren weist eine cm-Lagegenauigkeit auf, ist jedoch nicht in ein Landeskoordinatensystem eingehängt. 2006 konnte erstmalig eine Reihenbefliegung der aktuellen Grabung mittels Lenkballon realisiert werden. Die mittlere Höhe über Grund lag bei ca. 15m und die Bodenauflösung betrug etwa 1-2cm. Aus mehreren hundert Bildern wurden geeignete Nahezu-Senkrechtaufnahmen ausgewählt und in einem aufwendigen orthophotogrammetrischen Verfahren zu einem digitalen Bildmosaik zusammengefügt. Weiterhin mußten aus dem CAD alle Passpunkte sowie aus dem Gelände stammende GPS-Daten in das neu geschaffene Referenzsystem übertragen, bewertet und recodiert werden. So können z.B. Anaglyphen-Aufnahmen errechnet werden, welche einen 3D Eindruck der Grabungssituation vermitteln (Abb. 4.3.10c).

gis

Abb. 4.3.10b: Orthophotos und Befund-Lagepläne im GIS

Da die digitale Aufbereitung und durchgeführte Georeferenzierung der CAD-Daten, Profile, Zeichnungen ect. sowie die erstmalige Berechnung von Orthophotos eine Kombination in einem GIS erlaubt, wird seit 2007 ein Grabungsinformationssystem aufgebaut (Abb. 4.3.10b), das eine Dokumentation im Zusammenspiel aller verfügbaren Grabungsinformationen zum Ziel hat. Weiterhin ist die Möglichkeit einer Exploration der Photos im Sinne
einer Bildanalyse bei gleichzeitiger Vermessung von Anomalien gegeben.

anaglyph

Abb. 4.3.10c: Anaglyphenbild der Grabungssituation in Doliche (Türkei)

UAS als Trägerplattform für flexible Nahbereichsphotogrammterie und GIS in den Geowissenschaften oben
Seit etwa 2007 gibt es erste Bestrebungen ferngesteuerte UAS (Unmanned Aerial Systems, i.d.R. Quadro- bzw. Polykopter, Mikrokopter, Flächenflugzeuge) als Trägerplattform einer hochflexiblen Nahbereichsfernerkundung in den Geowissenschaften einzusetzten. Der Vorteil des UAS-Einsatzes gegenüber der klassischen Flugzeugfernerkundung liegt in der Ökonomie und Flexibilität der Nutzung. Die meist völlig autonom fliegenden Dronen können GPS-Pfade abfliegen und ihre Sensoren gezielt entsprechenden der Flugplanung aktivieren. Nachteile sind die bis heute noch oft sehr experimentellen Ansätze in der Durchführung, die notwendige Miniaturisierung der Sensoren und die eingeschränkte Nutzlast sowie die z.T. unklare Rechtslage bzgl. ziviler Modelldronen.

Dennoch nimmt die Zahl der kommerziellen Anbieter im Bereich der UAS-Fernerkundug von Jahr zu Jahr zu (vgl. auch Mircodrones o.a.), aber auch wissenschaftliche Institutionen versuchen zunehmend die Potentiale der ultraleichten Flugplattfromen für Ihre Zwecke einzusetzten. Seit 2010 wird federführend am Institut für Geoinformatik (in enger Zusammenarbeit mit der IVV, dem Institut für Landschaftsökologie und der Geogaphie der WWU Münster) eine kleine Flotte preiswerter Quadrokoptern (Typ Mikrokopter) zusammengestellt (IFGIcopter), welche insbesondere für den Bereich bildgebender Sensorik und meteorologischer Messungen konzipiert ist. Als bildgebende Sensoren sind hier erstmalig digitale Kleinbildkameras für den NIR-Einsatz auf den Koptern integriert, welche sogar CIR-Aufnahmen für die Biomassenbilanzierung landschaftökologisch wertvoller Kleinflächen (z.B. Moore) hochauflösende Daten liefern (vgl. Abb. 4.3.10d).

CIR

Abb. 4.3.10d: CIR-Schrägaufnahme der modifizierten IFGIcopter-Lumix (720-1100nm, Rieselfelder, MS)

Der geoinformatische Ansatz von IFGIcopter stellt den Kopter als mobile Fernerkundungsplattform neben andere Sensoren, welche in einem Sensornetzwerk Geodaten erzeugen und den Nutzern zur (webbasierten) Auswerdung idelaerweise in Echtzeit zur Verfügzung stellen (Abb 4.3.10e). Somit wäre eine hochfrequente Kartierung, Simulierung und Prognostik relevanter Geodaten in einem Untersuchungsraum möglich.

struktur

Abb. 4.3.10e: Architektur eines möglichen Sensor-Netzwerkes

Die photogrammetrischen Auswertung ist auch bei UAS-Aufnahmen möglich, sofern alle Parameter der inneren und äusseren Orientierung bekannt sind (kalibrierte Kamera!). Es resultieren also Orthophotos, DTM's, 3D-Geoobjekte, Cityblock-Modelle u.ä. in hochvariabler Auflösung.

 

Web-basierte Geodatensysteme und online Geoportale ben
In der Geodatenverarbeitung zeichnet sich in den letzten Jahren eine zunehmende Tendenz zur dezentralen, web-basierten Geodatenbereitstellung und -analyse ab. In sogenannten Geodateninfrastrukturen (GDI) oder auch Spatial Data Infrastrcutures (SDI), aber auch online-GIS Anwendungen lassen sich Fernerkundungsdaten mit allen denkbaren Geodaten kombinieren, sofern Standardaustauschformate und -services gemäß des OGC (Open Spatial Consortium) berücksichtigt werden. Derartige Geoportale stellen die gebündelten Informationen über eine URL im Intenet zur Verfügung und erlauben auch eine Einbindung der Informationen als Sekundärdienste, wie z.B. eines Web Mapping Services (WMS) oder Web Processing Services (WPS) bzw. Web-Feature Services (WFS) für lokale GIS-Anwendungen der Nutzer. Vielfach können die Nutzer auch ihre eigenen Daten temporär auf die Netzapplikation hochladen um so weitere Kontextaussagen zu einer erweiterten Datenansicht zu treffen. Beispielhaft seine hier auf Portale wie das Geodatennetzwerk 'Klimawandel 2018' hingewiesen, in denen Fernerkundungsdaten sowohl als Hintergrundinformation (base layer) aber auch als theamtischer Layer (feature layer) angeboten werden.

archeoweb

 

Abb. 4.3.10f: Web-basiertes Geoportal GeoArchaeologyWeb 2.0 mit eingebundenem UAS-Orthomosaik zur Funddokumentation der Grabung Doliche (Türkei) mit WMS-Service des UAS Layers (2014)

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