Digitale Fernerkundung
5 Literatur
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1.3 Das Fernerkundungssystem

Allgemeines
Jedes (digitale) Bild ist das Ergebnis eines Visualisierungsprozesses, dem sowohl geometrische (räumliche) als auch radiometrische (physikalische) Aspekte zugrunde liegen. Deshalb sind in jedem Bild stets geometrische und physikalische Informationen kombiniert abgelegt. Beide Arten der Information müssen deshalb auch von einem Fernerkundungssystem (FE-System) erfaßt und gespeichert werden können.

Als grundlegende, wellenlängenabhängige Komponenten eines jeden FE-Systems gelten:

- Strahlungsquelle (z.B. Sonne, Material oder ggf. Sensor selber)
- Strahlungsweg (z.B. Atmosphäre)
- Objekt (z.B. Oberflächenmaterialien, Geo-Objekt etc.)
- Sensor (z.B. Scanner, Kamerasystem, Radarsender etc.)

Zur Aufnahme von Luft- und Satellitenbildern müssen die Systeme so ausgelegt sein, daß sie sowohl die Richtung als auch die Intensität der Strahlung ermitteln - die von der Erdoberfläche reflektierte elektromagnetische Strahlung wird dann durch den Sensor aufgefangen, dann z.B. direkt in ein analoges photographisches Bild überführt (z.B. Film) oder in digitale Impulse verwandelt (z.B. CCD) und gespeichert. Letztere werden später durch numerische Operationen in digitale Bilder überführt.

Hierbei unterscheidet man grundsätzlich passive und aktive FE-Systeme (Abb. 1.3.1):

- Bei passiven Systemen geht die Strahlung von einer natürlichen Quelle aus (z.B. Sonne), erreicht dann ein Geo-Objekt und wird von diesem reflektiert und/oder absorbiert. Absorbierte Strahlung führt auch zu einer Erwärmung des Objektes, welches dann wiederum langwellige thermale Strahlung emittiert (thermales IR). Die von dem Objekt ausgehende reflektierte und/oder emittierte Strahlung wird dann vom passiven Sensor in Abhängigkeit seiner spezifischen spektralen Empfindlichkeit aufgezeichnet (Kamerasystem, Scanner, Wärmesensor etc.).

- Bei aktiven Systemen sendet der Sensor selbst elektromagnetische Strahlung aus und empfängt diese nachdem sie mit dem Geo-Objekt wechselgewirkt hat. Das System ist somit gleichzeitig künstliche Quelle der Strahlung (Sender) und ihr Empfänger (z.B. Mikrowellenradar, Echolot, Multispektralscanner, LIDAR usw.).

Abb. 1.3.1: Schema des Strahlungsflusses bei passiven und aktiven Fernerkundungssystemen (aus Albertz, 1991)

Spektrale Sensibilität oben
Die Sensiblität eines Fernerkundungssystems ist durch die spektrale Empfindlichkeit und den Bandbreiten der Sensoren definiert. Die entsprechenden Spektralbereiche werden häufig als Kanäle oder auch (engl.) Bänder bezeichnet. Wenn gleichzeitig mehrere Wellenlängenbereiche getrennt erfaßt werden, spricht man von einem multispektralen System - werden jedoch sehr viele (z.B. >15, bis 256, ggf. noch mehr!) einzelne, eng benachbarte Spektren gemessen wird das System hyperspektral genannt (man spricht dann von einem quasi-kontinuierlichem Spektrum)! Die multispektrale Erfassung von Strahlung ist deshalb sinnvoll, weil verschiedene Geo-Objekte (z.B. Vegetation, Wasser, Böden, Gesteine..) in unterschiedlichen Wellenlängenbändern auch unterschiedlich stark reflektieren (vgl. Abb. 1.3.2) - sie sind somit häufig multispektral differenzierbar!

Abb. 1.3.2: Reflexionsvermögen von verschiedenen Bodenbedeckungsarten im Bereich von 400 (sichtbares blau) bis 2600 nm (mittleres IR) und die schematische Lage der 'reflektiven' Landsat-TM Bänder (modifiziert nach Kappas, 1994)

Das menschliche Auge gilt als passiver Sensor mit einer spektralen Empfindlichkeit von etwa 400 bis 700 nm (Blau, Grün und/bis Rot). Man bezeichnet diesen Intervall des elektromagnetischen Spektrums deshalb auch als sichtbares Licht (Visible Spectra = VIS).

Folglich ist es verständlich, daß alle technischen Fernerkundungssysteme (unabhängig von ihrer spektralen Empfindlichkeit) die bildhafte Verarbeitung der Daten an das RGB-Farbsystem des menschlichen Auges in den Farbtönen Blau, Grün und Rot (rgb) nachträglich anpassen müssen. Bei einer entsprechende Farbzuweisung im RGB-Raum können so auch Meßwerte aus uns fremdartigen Spektralbändern, wie z.B. des IR sichtbar gemacht werden (z.B. als sog. Color-/Falschfarb-IR-Bilder/CIR-Images).

Exkurs: Einige Insektenarten sind mit ihren Augen für einen in das Nahe Infrarot (NIR) verschobene Intervall empfindlich. Sie können also auf das spektrale Reflexionsmaximum der Pflanzen im NIR gezielt reagieren. Hunde z.B. besitzen eine andere Farbwahrnehmung ( z.B. eine gewisse rot-grün-Blindheit, aber mit erweiterter 'Grauwert-Sensorik') - nehmen ihre Umwelt also deutlich andersartig farblich akzentuiert wahr, als z.B. der Mensch.

Strahlungswege oben
Eine bei der Betrachtung eines Fernerkundungssystems oft unterschätzte Komponente ist der durchlaufene Strahlungsweg. Die Strahlungsenergie wird bei ihrem Weg durch die Erdatmosphäre verschiedenen Prozessen unterworfen. Sie kann teilweise absobiert, reflektiert und gestreut werden. Diffuse Streuungsprozesse führen unter anderem dazu, daß der klare Himmel als 'himmelblau' empfunden wird, da in der Luft befindliche Kleinstpartikel (z.B. Aerosole) ein Streuungsmaximum in der Wellenlänge des Blau aufweisen.

Um qualitativ korrekt arbeiten zu können, müßte man alle Fernerkundungsdaten vor der Analyse 'atmosphärisch korrigieren'; ein sehr aufwendiges (i.d.R. numerisches) Verfahren, welches die Kenntnis einer Vielzahl (oft unbekannter) klimatischer Parameter voraussetzt und deshalb nur in Einzelfällen durchgeführt wird (Abb. 1.3.3).

Abb. 1.3.3: Strahlungswege von der Quelle zum Objekt und Sensor (aus Kappas, 1994). Der direkte Strahlungsfluß (1) kann abgelenkt (2), oder direkt von der Erdoberfläche reflektiert werden (3). Hier können additiv Streulicht (4) oder verschiedenste Überlagerungen (5) hinzugekommen und den Charakter der empfangenen Albedo/Reflexion beeinflussen. Insgesamt führen alle Prozesse zu einer Veränderung des Informationsgehaltes, da sie mit Energieumwandlungen behaftet sind

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