5.5 Differentielles GPS



Die Anzahl der GPS-Anwendungsgebiete und die Genauigkeitsanforderungen sind im Laufe der letzten Jahre an das Gesamtsystem gestiegen. Für viele wissenschaftliche Arbeitsbereiche genügen die garantierten 10 - 50m Positionsfehler nicht mehr aus, da viele Meßverfahren großmaßstäbliche Karten einbeziehen und dort die Lagegenauigkeit über die Zeichenstärke (Strichstärke) bei etwa 3m liegt (z.B. Deutsche Grundkarte DGK-5). Im geodätischen Bereich sollte die Positionsgenauigkeit (Fehler) sogar im Millimeterbereich liegen!

Man hat deshalb für einige Anwendungsbereiche zusätzliche Einrichtungen und Systeme konzipiert, welche die Genauigkeit der zivilen Positionsbestimmung erheblich verbessern:

  • Differentielles GPS (DGPS) als lokales oder Weitbereich-System
  • Pseudoliten (terrestrische Pseudo-GPS-Satelliten)
  • Weiträumige Systemerweiterung des GPS: Wide Area Augmentation Systems, wie z.B. WAAS (am.), GAGAN (jap.), MSAS (ind.) und EGNOS (europ).
  • Empfangsseitige Integritätsprüfungen (Receiver Autonomous Integrity Monitoring)

Von den oben gennannten Möglichkeiten stellt das DGPS für die meisten geowissenschaftlichen Anwendungen eine ökonomische Lösung dar, weil es mittels geringfügiger Modifikation des GPS-Ursprungssystems neue Ortungsgenauigkeiten von < 2m zulässt und viele moderne GPS-Empfänger auf einen DGPS-Betrieb technisch vorbereitet sind. Aus diesem Grunde sollen hier die Grundzüge der DGPS-Technik erläutert werden.

Das Grundprinzip des DGPS

Für die DGPS-gestützte Geodatenerhebung im Gelände werden als topographische Basis oft digitale amtliche Grundmeßblätter oder -Karten verwandt (z.B. Katasterpläne, TK-50, -25 oder DGK-5...), welche gemäß ihres Maßstabes Ungenauigkeiten bzgl. der Lage von Geo-Objekten aufzeigen. Die mittlere Lagegenauigkeit liegt bei der amtlichen Landesvermessung auf der Basis der DGK-5 bereits bei ca. 3m! Ein herkömmliches Hand-GPS (z.B. Garmin 60csx) erreicht Genauigkeiten von ca. 3m bei eingeschalter EGNOS-Korrektur - liegt somit etwa innerhalb der Zeichengenauigkeit einer digitalen DGK-5.

Merke: Die theoretische Lagegenauigkeit  von Objekten auf einer Karte läßt sich, ausgehend von der Zeichengenauigkeit und dem Maßstab, jederzeit bestimmen:

Theor. Lagegenauigkeit = Zeichengenauigkeit x Maßstab / 1.000 m

(Für eine Karte im Maßstab 1: 25.000 liegt die Zeichengenauigkeit bei etwa 0,2mm; daraus ergibt sich eine theor. Lagegenauigkeit von +/- 5m!)

Das DGPS-Verfahren bietet nun die Möglichkeit mit relativ geringem Aufwand die mittlere Güte der Ortsbestimmung deutlich über den Bereich der Zeichengenauigkeit einer übliche Karte zu steigern (0,1-2 Meter)! Zu diesem Zweck werden Fehlerausgleichsgrößen zur Errechnung der Pseudoentfernungen (Position) herangezogen, welche als ein zusätzliches Korrektursignal dem GPS-Empfängern zur Verfügung gestellt wird.

Das Verfahren ist für die zivilen Nutzer, die mit dem Träger L1 und dem C/A-Code arbeiten müssen entwickelt worden. Die technische Einrichtung des Referenzsenders ist betriebsseitig unabhängig. Es gibt deshalb allein in der Deutschland eine Vielzahl von festen bzw. beweglichen Referenzsendern, welche ein entsprechendes, typenabhängiges Korrektursignal ausstrahlen.

Das Verfahren beruht auf dem Vergleich der GPS-Position einer geodätisch fest eingemessenen Referenzstation mit der vom GPS errechneten Entfernung bzw. Koordinaten. Die anfallenden Differenzen werden als Korrektursignal (-daten) ausgesandt und zur Korrektur der Geländedaten im GPS herangezogen (Abb. 5.5.1) .

Abb. 5.5.1: Prinzip des DGPS-Aufbaus und der Sendewege von GPS- und Korrektursignal (Mansfeld, 1998)

Die erechneten Korrekturwerte gelten nur für die betreffende Referenzstation, wobei die Genauigkeit der Korrekturdaten von der Genauigkeit der geodätisch bestimmten Position (WGS-84) des Phasenzentrums der Antenne am Sender (Basissender und -empfänger) ist.

Nach Brinkkötter-Runde (1995) ist bei der Fehlerausgleichsgrößen die Tatsache entscheidend, daß bei benachbarten Beobachtungspunkten ein Großteil, der auf die GPS-Meßgrößen entfallenden Fehlereinflüsse gleich sind (Nachbarschaft kann im realen Fall aber durchaus mehrere Kilometer bedeuten!). Ist diese Korrelation innerhalb einer endlichen Entfernung hoch, kann die relative Positionsbestimmung der Punkte zueinander mit hoher Genauigkeit erfolgen.

Ist nun die Position eines Referenzpunktes geodätisch im WGS-84 bekannt und wird dort zeitgleich ein (nahezu) identisches GPS-Signal wie am mobilen Empfänger verarbeitet, kann aus der resultierenden Differenz (!) zu den anderen Punkten mit identischer Empfangscharakteristik die relative Genauigkeit der Punkte untereinander auf eine absolute Lagegenauigkeit im Gelände abgebildet werden.

Merke: Allgemein gilt, je größer die Entfernung zum Sender (vgl. Abb. 5.5.7 ), desto größer die Ungenauigkeit der Korrektur im GPS-Empfänger, da die Meßbedingungen nicht mehr als hinreichend gleich betrachtet werden können!

Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, die benötigten Korrekturdaten zu übertragen, wobei die unterschiedlichen funktechnischen Einrichtungen mit ihren Frequenzbereichen besondere Vor- und Nachteile aufzeigen (Tab. 5.5.1):

Sendeeinrichtung Frequenzbereich Vorteile Nachteile
Lang- und Mittelwellensender 100 - 600 KHz große Reichweite (1000km),
Sendermitbenutzung
kleine Bandbreite, geringe Bitraten (bis 300 bps)
Seefunkfeuer Europa 283 - 315 KHz s.o. s.o.
Flugfunkfeuer Europa 255 - 415 KHz s.o. s.o.
Kurzwellensender 3 - 30 MHz große Reichweite mit Raumwelle,
Frequenzen verfügbar
kleine Bandbreite, Raumwelle zeit- und frequenzabhängig
VHF 30 - 300 MHz große Bandbreite, 4000 bps, Mitbenutzung bestehender Sender, Frequenzen verfügbar  Reichweite durch quasioptische Bedingungen eingeschränkt (> 100 MHz)
Mobilfunknetze (z.B. C, D, E..) 450, 900, 1800 MHz Mitbenutzen von Netzen begrenzte Reichweite, Synchronisationsprobleme
Pseudoliten (mod. GPS-Sender) 1,2 - 1,5 GHz Große Bandbreite und Leistungsspektrum begrentzet Reichweite und Interferenzen mit GPS
Satelliten-Subsysteme (z.B. EGNOS/Galileo) s.o. Große Flächenüberdeckung hohe Kosten

Für den zivilen Nutzer sind zwei Typen der differentiellen Auswertung wichtig:

  • Positionskorrekturverfahren
  • Meßwertkorrekturverfahren

Im Positionskorrekturverfahren bestimmt der Referenzempfänger/-sender aus der aktuell berechneten GPS-Position die Differenz zur genauen geodätischen Position seines Standortes (Sollkoordinaten des Referenzpunktes). Diese Koordinatendifferenz wird als Shift-Value an den mobilen GPS-Empfänger des Nutzers übermittelt, welcher nun seine eigene GPS-Position damit beschickt. Einschränkend muß jedoch bemerkt werden, daß die Satellitenkonstellation zwischen Referenzsender und Gelände-GPS streng genommen nicht immer identisch sein kann, also geringste Abweichungen in den Rahmenbedingungen der Messung auftreten. Um extreme Unterschiede in der Satellitenkonstellation zu umgehen, werden die Horizontalbereiche des Empfangs (Azimuth) aufeinander abgeglichen: z.B. Referenzsender bei 10° Elevation Mask und mobiler GPS-Empfänger mit 15° Elevation Mask, d.h. bis 300 km identische Satellitenkonstellationen!

Meßwertkorrekturen beziehen sich in der differentiellen Auswertung auf die Pseudostreckenmessung des Referenzempfängers zu allen sichtbaren Satelliten. Mittels Schätzung der Empfängeruhrenfehler und Berechnung der Pseudodistanzen werden durch Vergleich mit den tatsächlich gemessenen Pseudostrecken die Soll-Strecken ermittelt. Diese Pseudostreckenkorrrekturwerte werden dem Nutzer mitgeteilt, der nun seine eigene Pseudostreckenberechnung korrekter durchführen kann. Im Vergleich zum Possitionskorrekturverfahren ist diese Art der Korrekturdatenermittlung zeitlich aufwendiger aber auch genauer und flexibler.

Das Prinzip der Korrektur durch Pseudoentfernungsmessung geht wie folgt vor sich (Mansfeld, 1998) : Die Position der  Referenzstation ist durch die geodätischen Koordinaten x g , y g und z g gegeben. Ebenso ist die Position der Satelliten durch die Navigationsmitteilung mit den Koordinaten x i , y i und z i bekannt. Somit kann die geometrische Entfernung rgi von der Referenzstation zum i-ten Satelliten aus


r gi = [(x i -x g ) 2 + (y i - y g ) 2 + (z i - z g ) 2 ] 0,5

berechnet werden.

An der Referenzstation wird nun die Pseudoentfernung (ρ) durch folgenden Ausdruck ermittelt:


ρ gi = r gi  +  εgR +  ε gK +  εgN + c δ t g

Dabei bedeuten

  • ε gR Pseudoentfernungsfehler im Raumsegment
  • ε gK Pseudoentfernungsfehler im Kontrollsegment
  • ε gN Pseudoentfernungsfehler im Nutzersegment
  • δ tg Uhrzeitabweichung gegenüber der GPS-Zeit

Die Größenordnung der Zahlenwerte ist in Tabelle 5.5.2 angegeben.

An der Referenzstation wird anschließend die Differenz der gemessenen Pseudoentfernungen zur geometrischen Entfernung bestimmt:


δ ρ gi =  ρ gi  - r gi  =  ε gR +  ε gK +  ε gN + c δ t g

Dieser Differenzwert wird von dem Sender als Korrektursignal an die Empfänger übermittelt, wo dann die Korrektur der gemessenen Pseudoentfernung  ρ i erfolgt:


ρ gi  -  δ ρ gi =  r pi  +  ε pR +  ε pK +  ε pN + c δ t p -  (  ε gR +  ε gK +  ε gN + c δ t g )

Im Allgemeinen sind die Komponenten des Pseudoentfernungsfehlers des Empfängers vom Nutzer identisch mit jenen des Pseudoentfernungsfehlers in der Referenzstation. Ausgenommen sind dabei die Fehler, welche durch die Mehrwegeausbreitung und durch das Empfängerrauschen entstehen. Die korregierte Pseudoentfernung kann somit wie folgt ausgedrückt werden:

(ρ pi ) korr =  r pi + c δ t p +  ε p + c δ t a )

Darin enthält  δt p die restlichen Fehler beim Nutzer,  δt a die (Zeit-) Fehler durch Mehrwegeausbreitung und  εp das Empfängerrauschen!

Durch die Messungen der Pseudoentfernungen zu vier oder mehr Satelliten wird die Position des Nutzers bestimmt. Da die Korrekturdaten der Pseudoentfernung zu diskreten Zeiten von der Referenzstation gesendet werden und die Satellitenbewegung eine Änderung der Fehler bzgl. der Pseudoentfernungen verursacht, ändern sich auch die Korrekturdaten ständig und werden deshalb mit einer zusätzlichen, zeitabhängigen Korrektur versehen!

Tab. 5.5.2: Fehlerbilanz der Pseudoentfernungsmessung zwischen GPS und DGPS bei zugeschalteter SA; Werte als Standardabweichung in Meter (Mansfeld, 1998)

GPS-Segment Fehlerquelle GPS (SA) DGPS (SA)
Raumsegment Satellitenbahnstörung
Satellitenuhrenfehler
SA
sonstiges
3,0
1,0
32,2
0,5
0
0
0
0
Kontrollsegment Ephemeridenfehler
sonstiges
4,2
0,9
0
0
Nutzersegment Lufzeitverzögerungen
- Ionosphäre
- Troposphäre
Rauschen
Mehrwegeausbreitung
Interferenzen
5,0
1,5
1,5
2,5
0,5
0
0
2,1
2,5
0,5
Gesamtsystem quadratischer Mittelwert = äquivalenter Entfernungsfehler 33,3 3,3

Nach den oben beschriebenen zwei Verfahren zur Berechnung von Korrekturwerten kann der nötige Differentialausgleich in unterschiedlichen Betriebsformen durchgeführt werden (Brinkkötter-Runde, 1995) :

  • Up-Link-Verfahren
  • Down-Link-Verfahren
  • Post-Processing-Verfahren

Im Up-Link-Verfahren werden die durch die Referenzstation ermittelten Korrekturwerte in Echtzeit an die mobile Station über Datenfunk (z.B. RDS) gesendet. Die differentiell korregierten Daten stehen dem Nutzer sofort zur Verfügung; dieses Verfahren wird auch Real-Time-DGPS genannt und kommt überall dort zum Einsatz wo Positions-Echtzeit-Information im Fehlerbereich von ca. 1-5 m notwendig ist.

Das Down-Link-Verfahren nutzt den entgegengesetzten Datenweg; d.h. die mobilen Empfänger senden ihre Rohdaten an die Referenzstation wo dann der Diffentialausgleich stationär berechnet wird. Die korregierten Positionsdaten werden anschließend über eine Leitstelle an den Nutzer zurück gesandt oder in einer Datenbank für Abfragen vorgehalten.

Die vielseitigen Postprocessing-Verfahren kommen überall dort zum Einsatz, wo genauere Positionsdaten nicht unmittelbar in Echtzeit benötigt werden, oder keine geeigneten Korrektur-Datenfunkstrecken zur Verfügung stehen. Erst nach Sammlung aller Roh-Positionsdaten werden die mobil gesammelten Koordinaten mittels anderenorts zeitgleich aufgenommener Korrekturdaten in korregierte GPS-Koordinaten überführt (zeitlich getrennter Arbeitsschritt!). Dieses Verfahren weist eine meist höhere Genauigkeit auf (ca. 1m) und gestattet auch bei Echtzeit-Positionierung eine Nachbearbeitung von GPS-Orten.

Format der Korrekturdaten

Das Transferprotokoll der Korrekturdaten für den DGPS-Betrieb wurde durch die Radio Technical Commission for Maritime Service Study Commitee 104 (RTCM SC-104 oder kurz RTCM) definiert. Wie Abbildung 5.5.2 verdeutlicht, besteht es aus einem Mitteilungsrahmen mit einer variierenden Anzahl von 30-bit-Worten. Die ersten beiden Ausdrücke bilden den Header (Kopfinformation). Das erste Wort enthält die 8-bit-Präambel, die Rahmen-ID, die 10-Bit Stationsangabe und 6 Prüfbits. Die Rahmen-ID's identifizieren einen der 64 möglichen Mitteilungstypen (s.u.) und die 10-bit-Stationsangabe den Referenzsender. Das zweite Wort besteht aus dem modifizierten Z-Count, den drei Bits für die Sequenzzahl, der 3-bit-Stationszustandsangabe und den 6 Prüfbits.

Abb. 5.5.2: Mitteilungsrahmen und Kopfinformation des RTCM-Signals für das DGPS (Mansfeld, 1998)

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick bzgl. der möglichen 63 Mitteilungsformate gegeben:

Typ 1 Worte 3-7; enthält die Korrekturdaten für alle Satelliten, welche von der Referenzstation zu 'sehen' sind. Zusätzlich wird der Nutzerdifferentialentfernungsfehler (UDRE) als 2-bit-Code angegeben (geschätzter Unsicherheitsfaktor über Standardabweichung der Pseudoentfernung, vgl. Abb. 5.5.3); darüber hinaus die Satellitenidentifikationswerte, für welche die Korrekturdaten gelten.
Typ 2 Aktuell einzusetzende Daten, wenn der Nutzer Bahn- und Uhrzeitparameter benutzt, die älter sind als die der Referenzstation.
Typ 3 Festes 6-Wort-Format, mit der die genaue Position (cm) der Referenzstation mitgeteilt wird.
Typ 4 Trägerphasenmessung für die Landesvermessung (Geodäsie), in Zukunft über Typ 19-21.
Typ 5 Betriebszustand der Satelliten.
Typ 6 Fülldaten (keine Information!).
Typ 7 Für Seefunkbaken als Referenzstation mit Umschaltmechanismus hinsichtlich der am naheliegensten Bake zur Navigation.
Typ 8 Almanachdaten für Pseudoliten.
Typ 9 Wie Typ 1, jedoch nur für optimale Satellitenkonstellationen (Geschwindigkeitsgewinn!).
Typ 10 Nur für P-Code!
Typ 11 Nur C/A-Code über L< class="Stil4">2 !
Typ 12 Für Pseudoliten, insbesondere für Zeitverschiebungs- und Phasenstandort der Antenne.
Typ 13 Gibt den genauen Standort des Senders an.
Typ 14 Nur für Landesvermessung !
Typ 15 Zur Übertragung von realen ionosphärischen und troposphärischen Messdaten zur Korrektur (anstatt Modellvorgabe!).
Typ 16 Graphische Mitteilung (für Rechner mit Display).
Typ 17 Gesamte Satellitenbahndaten zur Korrektur von Satellitendaten ohne Bahnparameter.
Typ 18 - 21 Korrekturdaten zur Pseudoentfernungsmessung und Trägerphase für die kinematische DGPS- Anwendung.
Typ 22 - 58 Noch nicht belegt.
Typ 59 Eigentumsdaten (-rechte).
Typ 60 - 63 Unterschiedliche, variable Parameter zum Sender.

Abb. 5.5.3: Mitteilungsformat Typ 1, Wort 3 bis 7 des RTCM-Signals für das DGPS (Mansfeld, 1998)

Entfernung und Genauigkeit

Der Einfluß der Distanz zum Referenzsender auf die Genauigkeit der DGPS-Messung ist für viele Anwendungen (z.B. Datenerfassung, Flugverkehr usw.) zu berücksichtigen. Die Abschätzung der DGPS-Pseudoentfernungen mit hoher Genauigkeit gilt fast immer nur für Nutzer in relativer, endlicher Nähe zur Referenzstation. Befindet sich der Nutzer nun in großer vertikaler oder horizontaler Entfernung und bewegt sich zusätzlich mit hoher Geschwindigkeit, sind der Einfluß unterschiedlicher Parameter (Elektronen-Dichten in der Ionosphäre und der Troposphäre, Doppler-Effekte etc.) vergleichsweise groß.

Man hat deshalb für die Flugnavigation besondere Modelle zur Eindämmung dieses Fehlerbeitrags über Modellrechnungen umgesetzt, so daß die Laufzeitunterschiede zwischen Referenzstation und tatsächlich gemessener Laufzeit der Signale an Bord eines Flugzeuges aufeinander abgestimmt werden können. Wesentliche Parameter sind die Höhe und der Brechwert der Tropos- bzw- Ionosphäre (Abb. 5.5.4 und 5.5.5).

Abb. 5.5.4: Systembestandteile des DGPS in der Flugnavigation (Mansfeld, 1998)

Abb. 5.5.5: Änderungen der Laufzeiten in Abhängigkeit der Höhe (Mansfeld, 1998)

Referenzstationsnetze

Die Anforderungen an das DGPS sind sehr unterschiedlich und werden deshalb technisch nutzerspezifisch umgesetzt. Dies gilt insbesondere für die Navigation (See-, Luft- und Landverkehr), die Landesvermessung (Geodäsie) aber auch zunehmend für die digitale Geodatenerfassung (Probenahmen, Kartierungen, Feldbegehungen) (--> vgl. auch Praktikum 10. Sitzung!).

Im Navigationsbereich müssen leistungsfähige DGPS-Verkehrsleitsysteme aufgebaut werden, damit beim Landeanflug oder dem Ansteuern von Hafeneinfahrten korrekte Positionsbestimmungen in Echtzeit vorgenommen werden können. Höchste  Genauigkeitsansprüche können zudem nur über das statische Differentialverfahren gelöst werden (Geodäsie).

Die Anwendung des Differentialverfahrens setzt voraus, daß geeignete DGPS-Referenzstationen zur Verfügung stehen. Aufgrund der unterschiedlichsten Anforderungen sind deshalb im Laufe der Zeit, zum Teil unabhängig voneinander, sowohl einzelne DGPS-Stationen als auch komplette Stationsnetze in Betrieb genommen worden. Die Entwicklung der Technik erfolgt gleichzeitig in allen Ländern, in denen das GPS Anwendung findet (Mansfeld, 1998).

Bei den geodätischen Verfahren erfolgt die großflächige Vermessung im Rahmen eines Bezugssystems, welches durch definierte Referenzpunkte gegeben ist. In der modernen Geodäsie sind dies Punkte, die neben der exakte Koordinate des Bezugssystems auch die Aufgabe der DGPS-Referenzstation wahrnehmen. Mobile Sender/Empfänger-Anlagen werden deshalb bei jeder geodätischen Kampagne auf bereits eingemessene Topographische Punkte (TP) eingerichtet; bei stationären Anlagen sind ihre genauen Koordinaten bekannt. Die hohe Genauigkeit wird nun über eine gleichzeitige Trägerphasenmessung des Signals mehrerer Satelliten mit meistens zwei Referenzempfänger eingeleitet.

Es gibt drei Varianten der Messung, welche im Prinzip acht Entfernungswerte liefern, aus denen dann Differenzen gebildet werden können. Obwohl die Pseudoentfernungen auch über die Code-Phasenmessung bestimmt werden können, wird in der geodätischen Praxis die genauere Trägerphasenmessung angewendet:

  • Einfachdifferenzen (single differences): Trägerphasenmessung zwischen zwei Satelliten und einem Empfänger. Es lassen sich so empfängerabhängige Fehler (Uhrenfehler) ausschalten. Bei Messungen zwischen einem Satelliten und zwei Empfängern können die satellitenabhängige Fehler, wie Uhrzeit und Pahnparameterschwankungen , kompensiert werden. Auch Ionosphären- bzw. Troposphäreneinflüsse lassen sich eleminieren, wenn die Entfernung der beiden Empfänger voneinander nicht zu groß ist.
  • Zweifachdifferenzen (double differences): Kombination von zwei Einfachdifferenzen; d.h. Trägerphasenmessung zwischen zwei Satelliten und zwei Empfängern. Fehlerkorrekturen wie oben!
  • Dreifachdifferenzen (triple differences): Kombination von je zwei Zweifachdifferenzen zu verschiedenen Zeitpunkten. Diese Methode wird zur Eleminierung der Mehrdeutigkeit von Trägerphasenmessungen herangezogen und wird in der Geodäsie auch als Geometrische Methode bezeichnet.

Um in der Geodäsie an jedem Ort eines Regionalbereiches GPS-Vermessungen durchführen zu können, sollten flächendeckend Referenzstationen zur Verfügung stehen. Eine solche Station kann bei Bedarf temporär als mobile Anlage errichtet werden, meist wird jedoch auf feste stationäre Anlagen zurückgegriffen. Im Regelfall braucht der Nutzer dann nur noch einen (D)GPS-Empfänger und den Zugang zu den Daten der Referenzstationen (Korrekturdaten). Da die Effektivität mit der Distanz zu den Stationen abnimmt, muß für ein ausreichend dichtes Netz an Referenzstationen gesorgt sein (Mansfeld, 1998).

Vor diesem Hintergrund wurde in der Bundesrepublik seit 1991 der Satellitenpositionierungsdienst (SAPOS) eingerichtet , welcher aus einem Netz permanent registrierter geodätischer GPS-Referenzstationen der Landesvermessung aufgebaut ist. Dieses Netz sorgt für die Korrekturdaten auf die gesamte Fläche des jeweiligen Bundeslandes (überwiegend für geodätische Zwecke). Der Betrieb der jeweiligen Stationen ist Aufgabe der Länder, wobei seit 1998 etwa 150 Referenzstationen aufgebaut und in Betrieb genommen wurden.

Die Korrekturdaten werden auch für Navigationsaufgaben angeboten. In der Endphase der Realisation sollen 200 feste Stationen für den Korrekturdatenfluß sorgen. Die Standorte der Stationen sind innerhalb des Deutschen Referenznetzes (DREF 91) koordiniert und gehören als fester Bestandteil dem Europäischen Referenznetz (EUREF 93) an. Zur Gewährleistung der störungsfreien Messungen sind die Standorte so gewählt, daß kein topographisches oder andersartiges Hindernis der Wellenausbreitung im Wege steht.

Die Korrekturdaten erhält der Nutzer über Funkdienste oder das mobile Fernsprechnetz. Für Echtzeitanwendungen können die Daten auch über Hörfunksender der ARD im UKW-Bereich (RDS-System bzw. RASANT ) oder wurden (leider nur bis 2005) über den LW-Sender Mainflingen ausgesand (vgl. Tab. 5.5.3 ). Benötigt wird bei DGPS-tauglichen GPS-Empfängern ein Zusatzempfangsmodem (RDS-Modem), welches an das GPS zur Einspeisung der RTCM-Korrekturdaten angeschlossen wird. In einigen Bundesländern gibt es auch einen speziellen Funkdienst auf 160 MHz (2m-Band). Mobilfunknetze (GSM) oder das Fernsprechleitungssystem werden für die Bereitstellung der Korrekturdaten für das Postprocessing genutzt. Für alle Daten gilt das RTCM (SC-104) Standard-Format (Vers. 2.0/2.1)!

Tab. 5.5.3: Kennwerte des SAPOS (Mansfeld, 1998)

Betriebsart SAPOS Übertragung Distanz Fehler-
zunahme
Positions-
fehler
Zeit-
bedarf
Echtzeitcodemessung EPS UKW, MW, LW, geostationäre Satelliten, Internet bis 500km 10cm - 10km 1 bis 3m 1 min
Echtzeitträger-
phasenmessung
HEPS 160 MHz, Mobilfunk bis 25km 2cm - 10km 1 - 5cm 2 min
Postprocessing-
Trägerphasenmessung 
GPPS Telefon, ISDN, Mobilfunk  bis 10km 1cm - 10km 1cm 10 min
Postprocessing-
Trägerphasenmessung
GHPS Telefon, ISDN, Mobilfunk, Datenträger  bis 10km 1cm -10km < 1cm > 45 min

In der Seeschifffahrt haben die Referenzstationen die Aufgabe, der Schiffahrt genaue Positionierungen mittels DGPS zu ermöglichen. Zu diesem Zweck hat man in Deutschland den Aufbau und Betrieb der Anlagen Helgoland (Nordsee) und Wustrow (Ostsee) in staatliche Hände gelegt. Die beiden Stationen sind Bestandteil eines europäischen Netzes von ca. 50 Referenzstationen im Küstenraum (Abb. 5.5.6). Das Korrekturdatensignal wird im RTCM-Standard über Seefunkfeuer zwischen 283,5 und 315 KHz (Europa) bzw. 285 und 325 KHz (USA) übermittelt. Die Genauigkeit des DGPS-Ortes liegt bei geringer Entfernung zum Sender um 1m, bei größerer Entfernung (ca. 400 km) bei 3m! Die max. Reichweite beträgt mehrere 100 km. Die Berechnung der Position erfolgt unter Anwendung der Differentialverfahren (s.o.) und kann auch für die terrestrische DGPS-Ortung im Küstenraum genutzt werden! Für den Bereich der Binnenschiffahrt werden meist kombinierte UKW- und LW-Referenzstationen (sog. MF-Beacons ) genutzt!

Abb. 5.5.6: Netz der DGPS-Referenzstationen an den Küsten West-Europas (Mansfeld, 1998)

In der Luftfahrt wird das hochauflösende DGPS als unterstützendes Instrument für den Landeanflug bisher nur experimentell am Flughafen Altenburg/Thüringen genutzt. Die Referenzdaten haben lokalen Charakter und werden über VHF (108 - 118 MHz) dem Instrumenten-Lande-System (ILS) des Flugzeugs bei Annäherung mitgeteilt. Die Nutzung des VHF bietet den Vorteil hoher Übertragungsraten (4800 bit/sec), wobei jedoch eine quasioptische Verbindung zwischen GPS-Empfänger und Referenzsender gewährleistet sein muß (in der späten Phase des Landeanflugs ist dies immer gegeben!). Die Positionsgenauigkeit liegt im Dauertest zwischen 10 - 15 cm.

Zusätzlich werden oft sog. Pseudoliten (ein Kunstwort aus Pseudo und Satellit ) eingesetzt, welche erdgebundene Sendestationen darstellen, die aber eine Funktionalität wie ein GPS-Satellit besitzen. Der Pseudolit sendet den C/A-Code auf L1 wobei dessen Signale nun von dem mobilen GPS-Empfänger zusätzlich verarbeitet werden. Aufgrund der erdgebundenen Position des Pseudoliten resultieren hauptsächlich günstigere DOP-Faktoren. Die geometrisch besseren Sende- und Empfangsbedingungen optimieren die zeit- und ortsabhängigen Parameter sowie VDOP- und HDOP-Faktoren. Es resultiert eine genauere Positionsberechnung. Zukünftig wird vmtl. das Mikrowellenlandesystem in Verbindung mit DGPS international zum Einsatz kommen. Hier wird das Korrektursignal im C-Band (5 GHz) übertragen. Für die Positionbestimmung während des Langstreckenfluges werden klassische DGPS-Methoden genutzt.

Für terrestrische Verkehrsleitsysteme spielt das DGPS eine besonderer Rolle, da hier eine gewisse Breitenwirkung in der zivilen Nutzung gegeben ist und die Anforderungen hoch sind. Gleichzeitig ist das Netz der Referenzstationen heterogen und es bedient sich unterschiedlichster Datenübertragungswege.

Für die Übertragung der Korrekturdaten eignet sich der VHF-Bereich, in dem die Korrekturdaten im RTCM-Standard über das Radio-Daten-System (RDS) z.B. im Hörfunk (UKW, 88 - 140MHz) ausgesandt werden. Ein Anwendungsbeispiel sind die RDS-Korrekturen über WDR 5. Die mittlere erzielte Reichweite eines jeden Senders liegt bei 120 km, der Ortungsfehler bei ca. 2m! Auch in einigen europäischen Nachbarländern wird das RDS und zur Übertragung der Korrekturdaten via Radiosender genutzt. In vielen KFZ-Modellen der Autohersteller basieren die fest eingebauten Pilotensysteme auf RDS-getragener DGPS-Technik (Autoradio häufig als Empfänger)!

Für die breite zivile Nutzergemeide des DGPS bestand bis Ende 2005 eine weitere Möglichkeit des Korrekturdatenempfanges. Der Ansatz bestand im Aussenden der Daten über einen Lang- bzw. Mittelwellensender, Mainflingen mit großer Flächenabdeckung (> 500 km Radius). Letztere wurde von der DeutschenTelekom betrieben und besaß eine Sendefrequenz bei 122,5 KHz mit 50 KW Leistung. Die Daten wurden im RTCM-Format 2.0 mit 300 bit/sec und F1-Modulation übertragen. Die damit erreichbare Genauigkeit (in Abhängigkeit von der Distanz) lag im Mittel bei 2m (vgl. Abb. 5.5.7). Nach der Abschaltung von ALF haben viele zivile Nutzer auf das RTCM-System RASANT gewechselt, welches dem landesweiten SAPOS-Betrieb zugeordnet ist. Hier muss jedoch je nach Senderlokalität das RDS-Modem neu auf die passende Frequenz eingestellt werden. Das RASANT-Sytem wurde 2012 jedoch gänzlich eingestellt.

Abb. 5.5.7: Dreidimensionaler Ortungsfehler und resultierende Genauigkeiten des RTCM-Signals in Abhängigkeit der Entfernung zum Telekom-Sender Mainflingen (Mansfeld, 1998)

Anmerkung: Das Korrektursignal, welches im Praktikum zur DGPS-Inbetriebnahme des Garmin-GPS-12 herangezogen wird stammt nicht mehr vom Langwellensender Mainflingen. Genutzt wird SAPOS !

Internationale Referenzdienste

Das oben beschriebene DGPS besitzt weitgehend nationalen Charakter und ist damit in seiner Reichweite auf einige 100 bis 1000 km beschränkt. Eine weltweit einsetzbare DGPS-Lösung besteht in einem Netz miteinander verbundener Referenzstationen, welche ihre Korrekturdaten untereinander austauschen und über große Entfernungen zugänglich machen. Ein solches System wird als Weitbereichs-DGPS (Wide Area DGPS = WADGPS) bezeichnet (Mansfeld, 1998) . Für die Abdeckung einer großen Region ist nur eine geringer Anzahl von Referenzstationen notwendig, da bei der Konzeption des WADGPS die auftretenden Pseudoentfernungsfehler in ihre regionalen Komponenten zerlegt werden, durch dessen Sektoren sich z.B. ein Flugzeug bewegt. Jede Komponente ist für einen regionalen Abschnitt berechnet und somit entfallen die Berechnungen für jede einzelne Station innerhalb der betreffenden Region. Die Korrekturdaten werden also nur von ausgewählten Regionalkontrollstationen (RCS) pro Sektor weitergegeben.

Nach der Grundkonzeption umfaßt das Netzwerk des WADGPS unterschiedliche Referenzstationen, die eine genaue Bestimmung der Ephemeriden, der atmosphärischen Verzögerungen und der Zeitverschiebungen pro Sektor erfolgt. In der Hauptkontrollstation (MCS) mit untergeordneten Referenzstationen (RS) werden die Signale koordiniert (Abb. 5.5.8) . Wichtig ist eine absolute Zeitsynchronisation der Stationen und eine funktionierende Kommunikation zwischen ihnen, welche durch spezielle geostationäre Satelliten erreicht wird. Ein erster Schritt zu einem europäischen Teilstück dieses WADGPS stellt EGNOS und das europäische Satellitennavigationssystem GALILEO dar.

Abb. 5.5.8: WADGPS-Netzwerk am Beispiel Nordamerikas (a) und im Einsatz für die Flugnavigation (b)  (Mansfeld, 1998)

© 2009 Dr. Torsten Prinz